Über 20 Jahre ist es her, dass das Spiel „Anno 1602“ erschienen ist, der Grundstein für die bekannte Spieleserie. Seit ein paar Tagen steht mit dem Titel „Anno 1800“ der siebente Teil im Laden; Dieses Mal geht es in die Zeit der industriellen Revolution, ins neunzehnte Jahrhundert.
Zurück in die Vergangenheit
Die letzten beiden Teile haben uns Spieler in die Zukunft entführt, mit diesem Teil kommt wieder die romantische Vergangenheit zum Zug(e) J Dabei ist es aber keinesfalls so, dass wir uns in einer optisch aufbereiteten Version von Anno 1404 oder den noch älteren Titeln wiederfinden.
Das Spiel hat eine moderne Oberfläche, und auch als Anno Veteran fühlt man sich beim Start einer Partie sofort wie Zuhause. Die Produktionsketten sind nach ihrem Endprodukt übersichtlich sortiert, und wie oft man einen Betrieb für die optimale Weiterverarbeitung benötigt, kann man sich gut erschließen.
Wir fangen mit der einfachsten Bevölkerungsgruppe, den Bauern, an, und arbeiten uns langsam zu den deutlich anspruchsvolleren Investoren (der fünften Bevölkerungsstufe) vor. Je nach Anzahl der sesshaften Einwohner schalten wir weitere Produktionsketten und Gebäude zu Erfüllung derer Wünsche frei.
Fachkräfte-Mangel
Neu in diesem Zusammenhang ist: die Bevölkerung bringt uns nicht nur Steuern ein, sondern stellt uns auch ihre Arbeitskraft zur Verfügung – und diese ist ein grundlegender Faktor in Anno 1800.
Jedes Produktionsgebäude braucht eine bestimmte Anzahl von Arbeitern, damit es funktioniert. So läuft die Produktion von Rohstoffen und Waren überhaupt erst an, wenn die passende Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung steht: der Wald fällt sich schließlich nicht von selbst.
Allerdings haben schon die Handwerker besseres zu tun, als mit dem Fischerboot raus aufs Meer zu fahren – das sollen gefälligst weiterhin die Bauern machen. Durch dieses neue Prinzip werden also ständig alle Bevölkerungsgruppen in der Stadt benötigt (damit auch jemand da ist, der die Felder Bestellen kann). Umgekehrt bekommt man keinen Bauern dazu zum Beispiel in der Brillenherstellung zu arbeiten – da müssen die Handwerker ran.
Logistik und der Trend zur Zweit-Insel
Während auf den Inseln die Fuhrkarren zwischen den Produktionsstätten und den Warendepots pendeln, organisieren wir den Inselübergreifenden Transport wieder selbst mit Schiffen. Anno 1800 bringt hier als Neuerung „Wind“ in Spiel – dieser hat vor allem auf die Segelschiffe großen Einfluss, auf die später zur Verfügung stehenden Dampfschiffe hat er eine weniger starke Wirkung.
Anno-typisch hat nicht jede Insel alle benötigten Rohstoffe, so dass man irgendwann nicht daran vorbei kommt weitere Inseln zu besiedeln. Da auch hier für die Produktionsbetriebe Arbeitskräfte benötigt werden, ist man auch hier mit der Anlage einer Siedlung beschäftigt. Im Verlauf des Spiels können Arbeitskräfte zwar inselübergreifend verwandt werden, aber grade zu Anfang ist dies noch nicht möglich – die klassische reine Produktionsinsel hat also ausgedient.
Ab in den „Süden“
Was in Anno 1404 der Orient (in 2070 die Tiefsee, in 2205 die Arktis) war, ist in Anno 1800 Südamerika – und das will erstmal überhaupt im Spiel gefunden werden. Ab der dritten Bevölkerungsstufe hat man die Möglichkeit eines seiner Schiffe auf Expedition zu schicken. Hier winken nach Verlauf bestimmte Belohnungen, bei entscheidenden Ereignissen werden wir vom Kapitän informiert und um Entscheidungen gebeten – hierdurch kommt Abenteuer-Feeling auf. Die erste Expedition entdeckt quasi zwangsläufig bei Erfolg die südamerikanische Spielwelt. Ab jetzt können wir mit dem aus Anno 2205 bekannten Sektoren-Prinzip zwischen den parallellaufenden Karten hin und her springen.
In Südamerika haben die zur Verfügung stehenden Inseln auch wieder unterschiedliche Rohstoffe, und die dort zu gründende Bevölkerung ist mit der zweiten Entwicklungsstufe schon maximal Entwickelt. Von hier aus kann man dann zum Beispiel Rum an unsere „europäische“ Stadt liefern lassen. Die lateinamerikanischen Obreros lassen sich im Gegenzug das importierte Bier schmecken.
Technologischer Fortschritt
Im Spielverlauf werden die Produktionsketten natürlich komplexer (es ist halt Anno), und mit der Bevölkerungsstufe Ingenieure kommt der elektrische Strom ins Spiel – mit weit reichenden Konsequenzen auch für die gewachsenen Städte. Die Kraftwerke werden mit Öl befeuert, welches per Zug über die Insel transportiert wird.
Attraktivität der Städte und Umweltverschmutzung spielen zusätzlich eine Rolle im Spiel, so dass Smog nicht nur die Einwohner unglücklich, sondern auch krank machen kann.
Aber natürlich lockt der Fortschritt auch mit seinen Vorzügen, so dass auch die „alten“ Produktionsketten vom Anschluss ans Stromnetz profitieren.
Langeweile? Fehlanzeige!
Anno 1800 ist mehr denn je ein Spiel mit der Balance. Auf der einen Seite gibt es die Bevölkerung mit ihren Bedürfnissen und Wünschen (und damit der Zufriedenheit und den Steuereinnahmen), auf der anderen Seite die Produktionsketten und die Umweltverschmutzung. Durch das neue System der Arbeitskraft kann die ganze florierende Stadt schnell ins Wanken geraten, wenn es auf irgendeiner Bevölkerungsstufe klemmt. Wenn die Bauern streiken oder wegziehen fehlt das Getreide für die Mühle und es gibt kein Brot mehr, was wiederrum die höheren Bevölkerungsstufen einem sehr übel nehmen werden – ein schöner Fingerzeig, wie komplex das Spiel sein kann.
Durch besondere Bauwerke wie den Zoo und das Museum macht man seine Stadt auch für Touristen interessant – und im weiteren Spielverlauf kann man mit der Weltausstellung wieder ein Monument auf die Insel holen.
Dabei hat man als Spieler schon genug damit zu tun, sein Imperium voran zu treiben und je nach Gusto zusätzliche Aufträge für die KI zu erledigen. Die Konkurrenten sind gut simuliert und haben eigene Vorlieben sowie Tiefe – sind also nicht kompromisslos gegeneinander austauschbar. Dazu kommen noch freie Händler, Piraten, und, und, und…
Fazit
Anno 1800 ist fordernd und sieht dabei grafisch sehr gut aus. In den Momenten, wo man mal nichts zu tun hat (weil man z.B. auf die Produktion von Baumaterial wartet), kann man sich in der detailverliebten Welt umschauen. Die Komplexität des aktuellen Titels ist wieder mit Anno 1404, oder mit Anno 2070 bei den späteren Stufen der „Techs“ vergleichbar, und geht darüber hinaus.
Schönbauer kommen voll auf ihre Kosten, da die Attraktivität der Städte Auswirkungen hat – man kommt aber auch ohne „Fingernagelschere am Grashalm“ weiter.
Die Zeit der industriellen Revolution mit ihrer Aufbruchsstimmung ist deutlich zu spüren und macht Spaß. Mächtige Werkzeuge wie die Zeitung helfen uns die Bevölkerung in schwierigen Zeiten, zusätzlich zu Genussmitteln, bei Laune zu halten.
Man merkt deutlich, dass Anno 1800 mit dem Besten aus den vergangenen 20 Jahren ausgestattet ist – ein würdiger Nachfolger, der auch bei mir mein bisheriges Lieblings-Anno 1404 erstmal wieder in den Hintergrund rücken lässt.
2 Antworten zu “Anno 1800 – kurz Vorgestellt”
Ein wirklich tolles Spiel muss ich sagen. Vor allem die Details an den Gebäuden sind sehr ansprechend gemacht und die BEvölkerungsstruktur und -entwicklung bietet echte Herausforderungen! Ich finde diese Anno-Version sehr viel komplexer als die vorherigen, aber dadurch hält der Spielspaß auch praktisch ewig 🙂
Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Anno 1800 ist wirklich eines der besten Aufbauspiele, die es je gab. Das ist wirklich eine Empfehlung wert.
Mit besten Grüßen
Sebastian